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Die ökologische Gesamtbilanz von Lautsprecherstoff

Es ist ein Grundproblem unserer Existenz: Auch, wenn wir es uns dies häufig gern einbilden, können wir unser Leben nicht wirklich „im Einklang mit der Natur“ führen, schon gar nicht bei unserem modernen Lebensstil und einer Weltbevölkerung von rund 8 Milliarden Menschen. Was wir jedoch tun können, ist, möglichst nachhaltig und sinnvoll mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen umzugehen, um unseren ökologischen Fußabdruck möglichst gering zu halten. 

Dazu ist es häufig notwendig, systemisch zu denken – und dabei werden leider oft liebgewonnene Überzeugungen und bequeme Gewohnheiten infrage gestellt. Können wir uns beispielsweise den Gang ins Schnellrestaurant mit gutem Gewissen gönnen, seitdem Kunststoffverpackungen durch Papierverpackungen ersetzt wurden? Denken wir an all die PFAS-beschichteten Pizzakartons, Getränkebecher, Einwickelpapiere und Trinkhalme, dann ist es nach wie vor sinnvoller, unser Essverhalten grundlegend zu ändern und konsequent auf Fast Food, Bringdienste und Getränke „to go“ zu verzichten – einmal ganz abgesehen davon, dass unser Hausarzt uns dies hinsichtlich einer gesunden Ernährung ohnehin rät. 

Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass systemisches Denken häufig zu kognitiver Dissonanz führt, also zu einer Diskrepanz zwischen Verhalten und Einstellung oder Einsicht, die unsere Überzeugungen und unser Selbstbild ins Wanken bringt. Ein unangenehmer Zustand, den wir häufig dadurch lösen, dass wir die störenden Aspekte einfach ignorieren oder uns die Situation durch Ausreden und Illusionen schönreden. Nur allzu gern stürzen wir uns auf Scheinlösungen, die unser Welt- und Selbstbild schnell wieder stabilisieren, ohne dass wir unser Verhalten und unsere Überzeugungen ändern müssen. 
 

Unser Öko-Gewissen lässt sich leicht blenden

Dann fühlt es sich schnell wieder gut an, alle vier Wochen mit dem Elektro-SUV zum Shopping von neuen Klamotten, an denen vielversprechende Nachhaltigkeitslabels baumeln, aufzubrechen und sich auf dem Rückweg schnell noch einen Fairtrade-zertifizierten Espresso und eine Flasche San Pellegrino zu gönnen. Nur: Fast Fashion wird nicht nachhaltig, wenn sich in den Kleidungsstücken ein (oft minimaler) Anteil recycelter Materialien findet. Merinowolle wird nicht zum bedenkenlos konsumierbaren Gut, wenn den Schafen die Qualen des Mulesing erspart bleiben. Der Einzige, der am Fairtrade-Kaffee sicher Geld verdient, ist die Zertifizierungsstelle, während das Zertifikat weder über die Arbeitsbedingungen der Menschen noch über die Umweltstandards etwas aussagt. Der ökologische Fußabdruck von Mineralwasser aus dem sonnigen Süden wird nicht entscheidend besser, wenn es uns in quer durch Europa transportierten Glasflaschen serviert wird. Und die Ökobilanz von tonnenschweren, von einer einzelnen Person genutzten SUVs verbessert sich durch einen (im schlimmsten Fall mit konventionellem Strom geladenen) Elektroantrieb kaum. 
 

Und was hat all das mit Akustikstoff zu tun? 

Es kommt gar nicht so selten vor, dass wir nach Akustikstoff aus Naturfasern gefragt werden. Schließlich bestehen all unsere Lautsprecherstoffe aus Polyester (PES), einer Faser, die derzeit keinen besonders guten Ruf hat. Dies durchaus nicht ohne Grund: Zunächst ist PES ein Petrochemieprodukt, entsteht also nicht aus nachwachsenden Rohstoffen. Das Waschen von Textilien aus PES trägt durch das Ausspülen einzelner Fasern zur Mikroplastik-Belastung unserer Umwelt bei. Und obwohl die Preise für PES sich in der vergangenen Zeit erheblich nach oben bewegt haben, ist das Material nach wie vor vergleichsweise günstig, was es zum Liebling der Fast-Fashion-Branche macht. Alles valide Argumente gegen PES. So liegt der Gedanke doch eigentlich nahe, für die Herstellung von Lautsprecherstoff auf nachhaltigere Alternativen wie Wolle zu setzen. Wieso hat gerade Akustikstoff.com als ausgewiesener Spezialist für akustisch transparente Stoffe nichts Entsprechendes im Angebot? 


 

Die unschöne Wahrheit über Wolle

Schauen wir uns zunächst die Faser als solche an. Als synthetische Faser basiert PES auf Erdöl, doch auch Wolle ist tiefer in fossile Ressourcen verstrickt und weitaus weniger umweltschonend, als es zunächst scheinen mag. Schon beim Traktor- und Düngemitteleinsatz für den Futteranbau in der Wollproduktion kommt Erdöl ins Spiel. 

Zu erheblichen Umweltbelastungen kommt es bei der Vorbehandlung und Weiterverarbeitung von Wolle. Die wichtigsten Arbeitsschritte sind Waschen, Demineralisieren, Abkochen und Bleichen. Dabei wird jede Menge Wasser benötigt und es kommen zahlreiche, häufig aggressive Chemikalien zum Einsatz: Soda, Wasserstoffperoxid, Amylasen, saure Chemikalien, zahllose Tenside, Dispergatoren und Netzmittel, Komplexbildner mit so hübschen Namen wie Diethylentriaminpentamethylenphosphonsäure, Peroxidisulfat, Polyhydroxycarbonsäuren, Chlor bzw. Hypochlorit … 

Die Liste ließe sich nahezu endlos fortsetzen, und sie wird auch fortgesetzt, etwa durch zahllose Pestizide. Der hohe Pestizideinsatz in der Wollindustrie trägt zum weltweiten Artensterben bei und bedroht das ökologische Gleichgewicht. Selbst in der ökologischen Tierhaltung sind im Bereich der Tiergesundheit viele Pestizide zugelassen und werden auch im großen Stil eingesetzt, da der Parasitendruck bei domestizierten Schafen und Ziegen enorm hoch ist. Lediglich der präventive Einsatz von Pestiziden ist verboten. In der konventionellen Wollindustrie kommen zudem weitere Gifte zum Einsatz, um Weideflächen von unerwünschten Pflanzen freizuhalten. 

Landidylle und glückliche Schafe: ein romantisches Idealild, das nahezu nichts mit der modernen Wollproduktion gemein hat.

Auch das Rohmaterial Wolle wird häufig mit einer Vielzahl von chemischen Substanzen behandelt, bevor es zu Kleidung und anderen Produkten verarbeitet wird. Viele dieser Substanzen stammen wiederum aus der Petrochemie, etwa Polyaminoamid-Kunststoffharze, die Wolle maschinenwaschbar und pflegeleicht machen. Das Verbrauchermagazin Öko-Test stellte bei der Überprüfung von Sockenwolle und reine Schur- und Merinowolle zum Stricken in fast allen Produkten halogenorganische Verbindungen fest, die im Verdacht stehen, Krebs zu verursachen.

 

Wenn die Motte zu Besuch kommt

Doch mit den Herstellungsprozessen vom Feld bis zur Textilbahn ist die Reise der Wolle durch das Reich der Chemikalien noch längst nicht abgeschlossen. Denn bei Lagerung und Transport des Rohmaterials wie der daraus hergestellten Textilien lauert allerorten eine Vielzahl an Schädlingen, die Wolle als Nahrungsquelle oder als Nistmaterial schätzen. Ein bekannter Vertreter ist die Kleidermotte. Es ist daher weiterer Pestizideinsatz nötig, um Verluste auf dem Transportweg und bei der Lagerung zu minimieren. So werden Wollprodukte beispielsweise häufig mit Permethrin behandelt, einem synthetischen Kontakt- und Fraßgift, das auch zur Behandlung von Krätze und Kopfläusen Verwendung findet.

Erfahrungen mit der Kleidermotte mussten wir auch selbst schon machen. Denn versuchsweise haben wir trotz aller Bedenken einen Akustikstoff-Prototyp aus Wolle hergestellt. Schließlich hätte es vielleicht ein gangbarer Weg sein können, mit Wolle aus lokaler Bioherstellung bei halbwegs akzeptablem Chemieeinsatz in der Verarbeitung einen Akustikstoff aus Wolle zur Marktreife zu entwickeln. So fand eine kleine Rolle Wollstoff den Weg in unser Lager – und schon kurze Zeit später auch die Kleidermotte. Diese freute sich offensichtlich sehr über das üppige Nahrungsangebot und fraß sich fröhlich durch die aufgerollten Lagen der Stoffbahn. Die Vermutung, dass Kleidermotten auch auf Boxen montierten Stoff ziemlich lecker finden könnten, ist sicherlich nicht abwegig.

Mottenfraß in einem Akustikstoff-Prototyp aus natürlicher Wolle.

Allerdings haben wir keinerlei Lust, unseren Kunden mit Gift ausgerüstete Stoffe zu verkaufen und zusätzlich unser gesamtes Lager – und damit auch uns – regelmäßig einer Begasung mit Insektiziden auszusetzen. Daher fanden unsere Versuche mit Akustikstoff aus Wolle schnell ein jähes Ende.


Welche Vorteile hat Polyester?

Wir bleiben also lieber bei Polyester, zumal sich diese Faser im direkten Vergleich zu Wolle durch deutlich bessere Reißfestigkeit und Formstabilität auszeichnet. Insbesondere für Lautsprecherbezugsstoffe ist dies ein wichtiges Kriterium, denn der Bespannstoff muss gut zu verbreiten sein und darf auch nach Jahren nicht aus der Form geraten. Das ist bei Wolle nur mit hohem Aufwand hinzubekommen.

Auch in akustischer Hinsicht spricht vieles für die Kunstfaser, denn Polyesterfasern sind deutlich länger als Wollfasern. Das Garn weist also nur eine geringe Menge offen abstehender Faserenden auf, die ab einer gewissen Menge die akustische Transparenz beeinträchtigen.  


Wie sieht die Ökobilanz aus?

Sicher gilt es, auch bei Textilien auf Nachhaltigkeit zu achten, und Polyester gewinnt hier aufgrund des eingesetzten Rohstoffs sicher keinen Platz auf dem Siegertreppchen. Aber auch hier zahlt sich aber eine systemische Betrachtung aus, bei der Äpfel nicht mit Birnen verglichen werden. Ein wichtiges Kriterium ist nämlich die Gebrauchsdauer. So ist eine Tupperdose beim Käsekauf anstelle von Einweg-Einschlagpapier die ökologisch bessere Wahl.

Akustikstoff, der vor einem Lautsprecher ein Jahrzehnt oder sogar länger unbeschadet seinen Dienst tut, weist eine völlig andere Ökobilanz als ein Fast-Fashion-Kleidungsstück, das nur wenige Male getragen im Kleidercontainer landet. Er schneidet in der ökologischen Gesamtbetrachtung mit hoher Sicherheit sogar besser ab als jedes Baumwollshirt, das nach intensivem Tragen irgendwann aussortiert wird – allein schon, weil er nicht ständig gewaschen und getrocknet wird. Oder wie häufig wäschst du den Bespannstoff deiner Lautsprecher? Eben! Daher stellt sich auch das Mikroplastikproblem bei Lautsprecherstoff kaum: Zwar sind Textilien aus Kunstfaser für rund ein Drittel des Mikroplastiks im Meer verantwortlich, nur zählt Akustikstoff bestimmt nicht im relevanten Maße zu den Verursachern, denn er landet nun mal nur in Ausnahmefällen überhaupt einmal in der Waschmaschine.
Akustikstoff »plus« besteht bereits zu 80% aus Recycling-Polyester
Akustikstoff »plus« besteht bereits zu 80% aus Recycling-Polyester.

Zunehmend interessant wird übrigens auch für uns Recyclingpolyester: es erfordert keine neuen petrochemischen Rohstoffe, benötigt rund die Hälfte weniger Energie in der Herstellung und kann sogar erneut recycelt werden. Unser Akustikstoff »plus« besteht daher bereits zu 80 Prozent aus Recyclingmaterial, und wir arbeiten an der Entwicklung eines weiteren Produkts, das auf Recyclingpolyester setzt. 


Ist Baumwolle eine Alternative? 

Baumwolle macht rund 20 % der Weltfaserproduktion aus und beschäftigt Millionen Menschen im Anbau. Sie leidet aber unter Monokulturen, hohem Pestizideinsatz und gigantischem Wasserverbrauch. Baumwolle wird fast ausschließlich in Monokulturen gewonnen und ist daher anfällig für Schädlingsbefall. 50 % der Welternte gehen durch Parasiten und Krankheiten verloren. Deshalb geht man weltweit immer mehr dazu über, gentechnisch veränderte Baumwolle anzubauen, die resistenter gegen Schädlinge sein soll. Aber selbst gentechnisch veränderte Baumwollpflanzen sind nicht immun gegen Schädlinge. Rund ein Viertel aller weltweit eingesetzten Pestizide werden daher auf Baumwollplantagen ausgebracht. Neben massiven Umweltschäden und Bodenfruchtbarkeitsverlust bis zu politischen Spannungen wegen Wasserknappheit verschärfen Berichte über Zwangsarbeit in Anbaugebieten wie im chinesischen Xinjiang die Kritik. 
Konventionelle Baumwollproduktion: Monokultur, enorm hoher Pestizideinsatz, inzwischen sogar mithilfe von Drohnen, und entsprechend miese Umweltbilanz.

Ähnlich wie bei Wolle – und übrigens auch Leinen oder Hanf – sind auch bei Baumwolle zahlreiche Vorbehandlungs- und Bearbeitungsschritte notwendig, damit aus dem Rohmaterial am Ende eine brauchbares Textil wird. Bei konventioneller Verarbeitung finden auch hier zahlreiche häufig fragwürdige Chemikalien Einsatz und der Wasserbedarf ist enorm. Konventionelle Baumwolle ist daher wirklich keine sinnvolle Alternative.


Vielversprechend: Bio-Baumwolle

Es gibt jedoch inzwischen eine ganze Reihe an Chemikalien sowie Prozesse, die dem Global Organic Textile Standard (GOTS) entsprechen und eine umweltverträglichere Fertigung ermöglichen. Kürzer wird die Liste der notwendigen Arbeitsschritte dadurch jedoch nicht. Bio-Baumwolle ist also zwangsläufig ein vergleichsweise teures Material.
 
Das hält uns jedoch nicht davon ab, in diese Richtung zu denken und Entwicklungsarbeit zu leisten. Eine zentrale Problemstellung ist auch hier, aus der Faser letztlich einen ausreichend reißfesten und formstabilen, gleichzeitig akustisch maximal transparenten Stoff herzustellen. Unsere bisherigen Ergebnisse sind jedoch vielversprechend, und möglicherweise sind wir schon bald in der Lage, einen Lautsprecherstoff mit Bio-Baumwolle zu präsentieren.